Zoe Majouno

Beschreibung

Auszug aus dem Tagebuch von Gerold Busken

(...) Warum hat sie mich nur verlassen? Ach, heute ist ein grauenhafter Tag! Erst erfahre ich, dass ich dieses Land für eine Weile verlassen muss und dann läuft mir auch noch meine Verlobte davon!

Oh... wie ich sie liebe! Ihr schulterlanges hellblondes Haar, das locker ihr Gesicht umrahmt und ihre wunderbaren klaren blaue Augen, die meinen sonst so trüben Tag erhellen, sind einfach ein Traum. Himmel, hab doch Erbarmen mit mir... Warum hat sie mich nur mit einem Blick bedacht, der so voll Misstrauen und Argwohn war? Ahnte sie, dass ich für einige Jahre für sie unerreichbar sein werde? Habe ich mich in irgendeiner Weise verraten, als ich ihre schmale, blasse Hand ergriff und diese mit heißen Küssen bedecken wollte?

Diese Frau, die mein Herz im Sturm erobert hat, obwohl ihr Stolz es anfangs kaum zugelassen hat, dass man ihr näher kommt... Ich habe sie lieb gewonnen, oh ja! Ach Zoe, meine geliebte Zoe! Sie hat sich so sehr geändert... Sie erschien mir gestern Abend völlig fremd in ihrer Kleidung, die wie immer penibel sauber war und aus einem hellen Leinenrock und dazu passender Bluse bestand. Nur zu gerne hätte ich ihren weichen, fraulichen Körper an mich gedrückt, um ihr meine ewige Liebe zu schwören und sie zu einem Kuss überredet!

Doch dazu kam es gar nicht. Mit ihren 25 Jahren verhielt sie sich einfach kindisch, als sie mir ihren Verlobungsring in die Hand drückte und mir vorwarf, ich würde sie nur wegen ihrer Mitgift heiraten wollen - was für ein grausamer Vorwurf! Zuletzt fuchtelte sie sogar mit ihrem Dolch vor meinem Gesicht, als ich ihr alles erklären wollte, warum ich neulich mit ihrem Vater ein Gespräch über Zoes Aussteuer hatte...

Ich weiß, dass sie gut mit ihrer kleinen Waffe umgehen kann - und wahrscheinlich ist sie auch begabt im Umgang mit dem Florett, da ihr Vater, trotz meines ausgesprochenen Widerwillens, ihr diesen Unterricht genehmigt hat. Eine Frau wie Zoe führt sich als Amazone auf! Kannst du dir das vorstellen?

Ich sah es, als ich - über ihren kleinen Aufstand hinweg schauend - ihren Ärmel nach oben schob: Überall kleine Narben auf ihrer sonst so zarten Haut! Was für ein Unding für eine Dame. Wenn - ja wenn ich sie noch ein mal wiedersehen werde, gehe ich mit ihr gleich zum Pfarrer und lass uns vermählen. Dann wird sie lernen müssen, was es heißt, eine gute Ehefrau zu sein und wird keine einzige Waffe mehr anrühren. Kinder wird sie mir schenken, oh sie wird eine großartige Mutter werden. Maman wird sie darauf hin schon vorbereiten... Bitte Gott, lass mich sie noch ein mal sehen, bevor ich die lange Reise antreten muss! Ich will ihre kühle und abweisende Haltung, die sie mir gestern so deutlich entgegen gebracht hat, ersetzen durch wahre Zuneigung zu mir...

Ach Zoe! Wo bist du nur? Mein Herz blutet, wenn ich daran denke, dass du dich mir abgewandt hast! Werde meine Frau und alles wird gut, ich verspreche es dir! Ich kann nicht länger warten, ich muss dich finden. Nur noch wenige Stunden bleiben mir, um dich ausfindig zu machen und dich an mich zu binden... (...)

Ende des Auszuges