Nuri

Nuri

Rasse: Fledermausnymphe, Geschlecht: weiblich

Nickname: Nuri*

Beschreibung

Nuri wusste, dass sie gesucht wurde.
Sie hatte sogar schon einen Steckbrief von sich gefunden. Zuerst hatte sie sich wohl darüber geärgert, denn wer fand es schon erfreulich von der Regierung verfolgt zu werden? Und in diesem Fall sprechen wir über eine gerechte, aber radikale Regierung, deren Rechtssystem für Verbrechen nur eine Strafe kennt: Den Tod. Natürlich, es gibt auch Delikte, wo eine Tötung zu hart wäre - in dem Falle wird nur lebenslänglich Kerker verhängt.
Nun, das drohte Nuri, würde sie geschnappt. Ihr war diese Konsequenz sehr wohl bewusst und auch der Ernsthaftigkeit der Lage.
Trotzdem fand sie auch in alle dem etwas Positives. Sie war überzeugt, dass sie auf dem Steckbriefbild recht gut getroffen war. Diese kleine Freude ließ sie sich doch nicht verderben.
Ihre Augen darauf wirkten wie zwei Fenster, auf deren anderen Seite ein jeder Betrachter eine wahre Wunderwelt aus sprießendem, rankendem Grün finden konnte. Um diese Fenster entwickelte sich das Gesicht, das mit seiner kühlen, blassen Haut wie ein zarter Wintermorgen aussah. Daraus stachen die Lippen hervor, die wirkten wie eine aufgehende Sonne, deren Strahlen sich über das gesamte schneeberührte Gesicht ausbreiteten. Diese harmonisch verschmolzenen Züge fanden einen Rahmen in den nussbraunen Haaren, deren sanfter Fluss nur von den spitzen Ohren durchbrochen wurde.
Insgesamt war sie also wirklich gut getroffen - okay, zugegeben dies ist eine verschönte Beschreibung. Und erwähnte man, dass ihre beige-braune, abgerissene Kleidung und der Fakt, dass sie keine Schuhe trug, sie wie eine Bettlerin wirken ließen, bekam man schon einen etwas negativeren Eindruck.
Aber das erwähnen wir ja nicht - genauso wenig, dass ihre Haare zerzaust und ungekämmt sind, ihre Haut aufgeschürft und schmutzig, ihre Lippen aufgerissen und spröde.
Auf jeden Fall war sie auf der Flucht. Der Wald umgab sie schützend und mit hohen, grünen Schatten, die sie tarnen wollten. Doch ihre Verfolger machten sich daraus nicht viel und trotzten dem mit Geschick und purer Zahlenmäßiger Überlegenheit.
Nuri wusste eigentlich, dass sie keine Chance hatte - aber es war schließlich einen Versuch wert. Außerdem - sollte sie jemals frei kommen - hätte sie eine gute Geschichte, die nämlich von ihrer missglückten Flucht, zu erzählen.
Nein, sie würde weiterrennen. Beinahe lautlos über den Waldboden fegen, sich mit ihrem feinsehnigen Körper durch die Baumreihen winden. Sie wusste, sie hinterließ kaum Geräusch noch Spur.
Sie war eine Fledermausnymphe und zusammen mit dem Wald und seinen Gegebenheiten aufgewachsen. Selbst wenn dies nicht der ihre war, so barg er eine Vertrautheit und gewisse Verbindung zu ihr, die ihr zum Vorteil waren.
Der Unterart von Nymphen, der sie angehörte, war der Natur vielleicht nicht mehr so nah, wie deren direkten Vertreter - aber nah genug. Nun, sie war eben auch an die Zivilisation gewöhnt. Musste sie zwangsläufig sein, zumal sie von ihren Artgenossen gewissermaßen auf gewaltsame Weise dazu bewegt worden war, sich auch außerhalb des heimatlichen Waldes zu Recht zu finden.
Das heißt: Sie war verbannt worden.
Wieso das? Nun, vielleicht passte Nuri nicht zu den anderen. Vielleicht passte sie auch einfach absolut nicht zu ihnen. Fledermausnymphen haben gewisse Eigenschaften, durch die sie sich um ihren Namen verdient gemacht haben.
Sie saugen andere humanoide Lebewesen aus. Also, nicht ihr Blut - das ist ja ekelig. Sondern ihre Energie. Hält Nuri sich zum Beispiel nur in der Nähe eines Menschen auf, geht ein Teil seiner Kraft auf sie über - ohne dass der entsprechende es vielleicht sogar merkt, da der Betrag für ihn relativ klein ist. Für eine Fledermausnymphe aber reicht es, sich einige Stunden satt zu fühlen.
Nun können sie aber noch eines: Sie können ein Wesen „leeren“. Das heißt es töten und all seine Energie in sich aufnehmen, so dass sie Jahre davon zehren können ohne wieder auf die Jagd gehen zu müssen.
Zumindest können die meisten Fledermausnymphen dies. Nuri konnte es nicht.
An der Stelle muss erwähnt werden, dass Nuri unmusikalisch ist. Was sehr wichtig ist. Denn ihre Artgenossen bezaubern mögliche Opfer mit Musik, damit sie einschlafen. Dann leeren sie sie. Und da Nuri keine zwei Noten nacheinander trifft - hatte sie ein gewisses Problem.
Die meisten anderen ihrer Art empfanden dies als Schande. Und Nuri wurde zum Außenseiter - zumal sie kaum zu Hause sein konnte. Die ganze Zeit war sie nur dabei, irgendwo ein wenig Energie herzubekommen, was schwierig ist und lange dauert ohne Leerungen.
Das war der Grund für ihre Verbannung; Man bestätigte ihr zum Schluss noch, sie sei ein Fehler der Natur und die unfähigste Fledermausnymphe, die es gab - dann durfte sie gehen.
Ihre Familie war traurig darüber, aber Nuri versicherte ihnen, alles würde gut werden. Dann hatte sie sich aufgemacht.
Bis sie hier gelandet war. In dem Land, in dem ihr jetzt Kerker drohte. Um zu verstehen, warum sie diese Strafe erwartet, muss man eins verstehen: Dieses Land, genannt Telebor, ist sehr ernst und strikt und duldet keine Ordnungswidrigkeiten.
Und es duldet keine Wesen, die überall rumschwirren und Leute verfolgen, um ihnen ein wenig Energie zu rauben. Nicht dass es die Betreffenden wirklich geschwächt oder es ihnen geschadet hätte - es hat sie einfach nur angenervt. Nuri war zu einem kleinen Störfaktor geworden, der nun beseitigt werden sollte.
Und bei so etwas war die Regierung gründlich. Sie war erst seit fünf Tagen gesucht und schon war sie in diesem Wald von Soldaten der Garde eingekesselt. Lange würde sie nicht mehr durchhalten, aber zu einfach konnte sie es ihren Gegner ja auch nicht machen.
Also rannte sie noch ein wenig schneller, kletterte auf einen Baum und versteckte sich in dessen Blätterwerk. Es bestand die nichtige Hoffnung, dass sie hier oben übersehen würde.
Nach etwa fünf Minuten standen ein halbes Dutzend Gardisten um den Baum herum. „Komm herunter, Nuri“, rief ihr Anführer. „Du weißt es hat keinen Sinn. Noch mal entkommst du uns nicht. Es sei denn du lernst jetzt noch schnell fliegen.“
„Das könnte ich natürlich machen ...“, überlegte Nuri und wog die Wahrscheinlichkeiten ab.
„Komm einfach runter und ergib dich. Sonst sägen wir den Baum ab!“
„Das würdet ihr tun?“, fragte sie ungläubig.
„Ja“, meinte der Kommandant genervt.
„Aber der Baum! Der arme, unschuldige Baum, der kann doch mal echt nichts dafür“, protestierte die Fledermausnymphe.
„Das ist mir verdammt noch mal egal. Ich gebe dir drei Sekunden - oder der arme, unschuldige Baum muss dran glauben.“
Nuri ergab sich. Schwerfällig kletterte sie herunter, ließ sich festnehmen und abführen. Die nächste Zeit durfte sie sich an Kerkermauern satt sehen und die Gastfreundschaft der Regierung genießen. Von Tag zu Tag wurde sie schwächer.
Nur ab und zu kam ein Wärter vorbei, dem sie Energie rauben konnte - aber ansonsten war sie so abgeschirmt, dass sie viel zu weit weg von allen Wesen war.
Sie fühlte sich elend; die Kräfte am Ende, nur schwarze und grau Flecken vor den Augen, die Ketten tief in ihrer wunden Haut, die Luft schwer und faulig, ihr ganzer Körper verkrampft und taub ... sie seufzte und hätte schon ihr Leben aushauchen wollen.
Als plötzlich das letzte geschah, mit dem sie gerechnet hätte. Kerker und Elend verschwanden. Ein helles Licht blendeten ihre trübe Sicht, brannte sich in ihre überraschten Augen, die sich vor Schreck und Schmerz schlossen...